Aktuell in der AfP

Weniger Zusammenschlüsse - mehr Medienfreiheit? - Art. 22 EMFA als weitere Hürde für Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt (Klumpp/Witte Paz, AfP 2024, 101)

Der EMFA sieht in Art. 22 eine medienfreiheitsrechtliche Kontrolle von Zusammenschlüssen vor. Anders als die Medienkonzentrationskontrolle nach Landesmediengesetzen bzw. MStV erfasst die EMFA-Fusionskontrolle sämtliche Mediengattungen. Wesentliche Fragen, insb. die konkrete Ausgestaltung der Auf- und Eingreifkriterien, lässt Art. 22 EMFA offen. Es kommt darauf an, wie die EMFA-Fusionskontrolle in den Mitgliedsstaaten umgesetzt wird.

I. Ausgangssituation
II. Überblick zum EMFA

1. Bisheriges Gesetzgebungsverfahren
2. Zielsetzung und Reichweite der Verordnung
3. Reaktionen auf das Gesetzgebungsvorhaben
III. EMFA-Fusionskontrolle nach Art. 22 EMFA
1. Systematische Verortung von Art. 22 EMFA
2. Pflicht zur Schaffung nationaler Vorschriften für die EMFA-Fusionskontrolle
3. Aufgreifkriterien
4. Eingreifkriterien
5. Rechtsfolgen
6. Zuständigkeit, Verfahren und Rechtsschutz
IV. Kontrolle von Medienzusammenschlüssen de lege lata
1. Medienkonzentrationskontrolle nach den Landesmediengesetzen und dem MStV
2. Medienfusionskontrolle nach FKVO und GWB
3. Zusammenspiel von Medienkonzentrationskontrolle und kartellrechtlicher Fusionskontrolle de lege lata
V. Würdigung der EMFA-Fusionskontrolle
1. Kein Bedürfnis für eine europäische Medienkonzentrationskontrolle
2. Kontrollrechtliche Gleichbehandlung aller Mediengattungen
3. Zweifel an der Recht- und Zweckmäßigkeit der EMFA-Fusionskontrolle
a) Rechtmäßigkeit der EMFA-Fusionskontrolle
b) Zweckmäßigkeit der EMFA-Fusionskontrolle
4. Möglichkeiten der Umsetzung von Art. 22 EMFA in Deutschland
a) Kompetenzrechtliche Fragen
b) Zuständigkeits- und verfahrensrechtliche Fragen
aa) Zuständigkeit der Landesmedienanstalten
bb) Zuständigkeit des BKartA
cc) Zuständigkeit der KEK
dd) Fazit zur Zuständigkeitsfrage
c) Materiellrechtliche Fragen
VI. Fazit


I. Ausgangssituation

1
Das Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 13.3. und am 26.3.2024 eine Verordnung zur Medienregulierung beschlossen, die u.a. Zusammenschlüsse auf dem Medienmarkt einer zusätzlichen Kontrolle unterwirft. Nach Art. 22 sog. European Media Freedom Act (EMFA) soll geprüft werden, wie sich Medienzusammenschlüsse auf den Medienpluralismus und auf die redaktionelle Unabhängigkeit auswirken (EMFA-Fusionskontrolle).

2
Dieser Beitrag liefert zunächst einen Überblick zum EMFA (unter II.). Anschließend wird das Instrument der EMFA-Fusionskontrolle im Einzelnen analysiert (unter III.). Daraufhin wird die in Deutschland bislang geltende Rechtslage bei der Kontrolle von Medienzusammenschlüssen zusammengefasst (unter IV.). Abschließend wird die EMFA-Fusionskontrolle gewürdigt (unter V.).

II. Überblick zum EMFA

1. Bisheriges Gesetzgebungsverfahren

3
Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, kündigte das „Medienfreiheits-Gesetz“ am 15.9.2021 in ihrer Rede zur Lage der Union an. Fast auf den Tag genau ein Jahr später legte die Kommission einen Vorschlag für eine neue EU-Verordnung, den EMFA, vor. Der EMFA soll – gestützt auf die allgemeine Binnenmarktklausel des Art. 114 AEUV – die Medienfreiheit und den Medienpluralismus als wesentliche Merkmale eines gut funktionierenden Medienbinnenmarkts schützen. Aufgrund seiner Rechtsnatur als Verordnung gilt der EMFA in den Mitgliedsstaaten unmittelbar.

4
Der Rat der Europäischen Union hat am 21.6.2023 sein Verhandlungsmandat beschlossen, das Europäische Parlament hat in erster Lesung am 3.10.2023 seinen Standpunkt zum EMFA angenommen. Auf dieser Grundlage haben das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die EU-Kommission im Rahmen des sog. Trilog-Verfahrens über den EMFA verhandelt. Am 15.12.2023 haben sie eine vorläufige Einigung erzielt. Am 13.3.2024 hat das Europäische Parlament den EMFA beschlossen, am 26.3.2024 hat der Rat zugestimmt. Die Unterzeichnung des EMFA und seine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU stehen derzeit noch aus.

2. Zielsetzung und Reichweite der Verordnung
5
Die neue Verordnung soll europaweit einheitliche Regelungen für Mediendienste schaffen, die darauf abzielen, die Freiheit und Unabhängigkeit von Mediendiensten und Journalisten zu sichern.

6
Als Mediendienst definiert der EMFA die Bereitstellung von Sendungen oder Presseveröffentlichungen für die Allgemeinheit zur Information, Unterhaltung oder Bildung (Art. 2 Nr. 1 EMFA). Das können bspw. Fernseh- oder Hörfunksendungen, audiovisuelle Mediendienste auf Abruf, Audio-Podcasts oder Zeitungen und Zeitschriften sein. Erfasst werden private wie auch öffentlich-rechtliche Mediendienste. Keine Mediendienste i.S.d. EMFA sind nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten wie nutzergenerierte Inhalte zu privaten Zwecken, privater Schriftwechsel, Unternehmenskommunikation oder die ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.04.2024 10:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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