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Presseleistungsschutzrecht: Der Schlüssel zum Schutz KI-generierter Erzeugnisse? (Baumann, AfP 2024, 193)

Presseveröffentlichungen können Mischerzeugnisse aus menschlich-journalistischen Textbeiträgen und KI-generierten Zusatzinhalten sein. KI-generierte Inhalte genießen zwar nur urheberrechtlichen Werkschutz, wenn der Mensch detaillierte Vorgaben macht und die konkrete Ausgestaltung nicht der Wahrscheinlichkeitsrechnung überlässt. Die KI-generierten Bestandteile wie Texte und Bilder partizipieren aber am Leistungsschutzrecht, das für die Gesamtkomposition der Presseveröffentlichung gewährt wird.

I. Presseverlage in der Zwitterrolle
II. Löchriger Werkschutz für KI-Output
III. Leistungsschutzrechte als alternative Schutzkonzepte

1. Leistungsschutzrecht für Lichtbilder
2. Leistungsschutzrecht für Film- und Laufbildhersteller
3. Presseleistungsschutzrecht
IV. Presseleistungsschutzrecht und KI-Erzeugnisse
1. Mehrheitlich menschliches Werk
2. Umfang des Schutzes
a) Wortlaut
b) Systematik
c) Sinn und Zweck
d) Ergebnis


I. Presseverlage in der Zwitterrolle
1
Im Spannungsfeld zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und dem Urheberrecht nehmen die Presseverlage eine Zwitterrolle ein. Einerseits nutzen die Verlage und ihre Mitarbeiter bereits heute KI-Anwendungen, um die Erstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen zu unterstützen. Andererseits ist ihr bestehendes Portfolio eine wertvolle Ressource für das Training von KI-Modellen (insb. Sprachmodellen). Zudem ist das Geschäftsmodell der Presseverlage vulnerabel für KI-generierte Konkurrenzprodukte, die automatisiert und systematisch Inhalte aus den Presseveröffentlichungen übernehmen. Die Presseverlage sind also sowohl Nutzer von KI-Anwendungen als auch potentiell Geschädigte.

2
Wenn nun Presseverlage die KI-Potentiale entfalten möchten und KI-Werkzeuge für redaktionelle Zwecke einsetzen, stellt sich die Frage, ob sie an den KI-generierten Inhalten Ausschließlichkeitsrechte erhalten. Von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung dieser Frage ist das Presseleistungsschutzrecht und seine Reichweite.

II. Löchriger Werkschutz für KI-Output
3
Um Ausschließlichkeitsrechte der Verlage für ihre redaktionell eingebundenen KI-Erzeugnisse zu begründen, ist zwischen dem urheberrechtlichen Werkschutz und den Leistungsschutzrechten zu differenzieren. Da der urheberrechtliche Werkschutz begrenzt ist, kommt in vielen Fällen überhaupt nur das Presseleistungsschutzrecht in Betracht.

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Dem deutschen und europäischen Urheberrecht liegt nämlich ein menschenbezogener Ansatz zugrunde: Nach dem nunmehr entscheidenden unionsrechtlichen Werkbegriff muss sich die Persönlichkeit eines menschlichen Urhebers im Werk widerspiegeln. Das Urheberrecht schützt also nur menschliche Schöpfungen. Reine KI-Erzeugnisse sind nicht als Werk geschützt.

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Nun könnte man die berechtigte Frage stellen: Was ist mit den Prompts? Die wenigsten KI-Erzeugnisse werden rein automatisiert generiert. Meist liegt dem eine menschliche Handlungsanweisung in Form eines Prompts zugrunde. Diese Handlungsanweisung wird aber nur in einigen Fällen genügen, um die konkrete Gestaltung der Erzeugnisse der menschlichen Schöpfung zuzuschreiben.

6
Der EuGH stellt zwar geringere Anforderungen an das Ausmaß menschlicher Kreativität, das notwendig ist, um einen Werkschutz zu begründen. Bereits ein Auszug von elf Wörtern aus der Tagespresse kann ein geschütztes Werk sein; genauso wie eine recht einfache Portraitfotografie. Entscheidend ist aber, dass sich die eigenpersönliche Entscheidung des menschlichen Schöpfers in dem letztendlichen KI-Erzeugnis wiederfindet. In den Worten des EuGH: Es muss einen klar identifizierbaren Gegenstand geben, welcher die freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt.

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Maßgeblich für den urheberrechtlichen Werkschutz ist damit immer die konkrete Ausgestaltung, die Form, welche eine Idee angenommen hat. Diese muss der menschlichen Schaffenskraft entspringen. Die bloße Ideengebung, das Konzept und der Auftrag der Ausführung genügen nicht, um urheberrechtlichen Werkschutz zu begründen. Gleiches gilt für bloße Auswahlentscheidungen.

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Ein urheberrechtlicher Schutz kann entstehen, wenn der Nutzer den Schöpfungsvorgang durch konkrete Vorgaben steuert, so dass die letztendliche Gestaltung das abbildet, was der Nutzer sich bereits so vorgestellt hat. Denkbar ist dies insb. bei rein unterstützenden KI-Funktionen, die etwa stilistische Hilfestellungen leisten oder automatisiert bestimmtes Hintergrundwissen liefern. Auch durch die menschliche Bearbeitung von durch eine KI erzeugten Entwurfstexten kann ein urheberrechtlicher Werkschutz entstehen. Prompts im Bereich generativer KI dürften diese strengen Anforderungen allerdings oftmals nicht erfüllen, weil der Prompter die konkrete Ausformung gerade der KI überlässt. In jedem Fall bietet es sich in der Praxis an, den Schöpfungsvorgang zu dokumentieren, um später ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.06.2024 14:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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